Kennst Du dieses manchmal unerklärliche Gefühl, wenn Du Dich im Kontakt mit einer anderen Person auf einmal sehr verunsichert und auf eine merkwürdige Art und Weise innerlich befangen fühlst? Gerade eben hast Du Dich noch äußerst wohl gefühlt in Deiner Haut, Du empfandst Dich selbst als selbstbewusst und kompetent. In solchen Situationen bist Du guten Mutes und verhältst Dich freundlich, offenherzig und großzügig. Doch plötzlich scheint die Kehrseite dieser Emotionen ans Licht zu treten: Du bist verunsichert, selbstkritisch, verschließt Dich und verhältst Dich damit eher kontraproduktiv. Deine guten Eigenschaften und Talente kommen so gar nicht erst zum Vorschein.
Manchmal können wir uns so selbst im Weg stehen und wissen gar nicht so recht warum, geschweige denn, wie wir solche Situationen angenehmer meistern könnten. Könnte das an dem sogenannten "Pygmalion Effekt" liegen? Was steckt dahinter und könnte er uns eine mögliche Erklärung für solche Situationen geben?
Was steckt hinter dem Pygmalion Effekt?
Vor einiger Zeit stieß ich im Internet zu genau diesem Thema auf ein interessantes Feldexperiment. Dabei wurde Lehrern an einer amerikanischen Grundschule am Anfang des Schuljahres eine Gruppe Schüler als besonders begabt vorgestellt. Die Lehrer kannten die Schüler noch nicht und sie wussten auch nichts von dem Experiment. Tatsächlich waren diese Schüler aber nicht talentierter als ihre Mitschüler - sie wurden per Los ausgesucht. Die Schüler selbst bekamen von all dem nichts mit. Am Anfang und Ende des Schuljahres wurden IQ-Tests bei diesen Schülern und ihrer Vergleichsgruppe - die Schüler, über deren Intelligenz den Lehrern nichts besonderes berichtet wurde - durchgeführt. Die Schüler, die als besonders intelligent angegeben worden waren, wiesen durchweg deutlich erhöhte IQ-Ergebnisse auf, was in der Vergleichsgruppe nicht beobachtet werden konnte.
Die Psychologen Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson kamen zu dem Schluss, dass die Lehrer diesen Schülern ihre unbewussten Erwartungen unbeabsichtigt, aber dennoch deutlich gezeigt hatten. Die Haltung der Lehrer gegenüber den Schülern zeigte sich diesen wohl unter anderem in deren Gesichtsausdruck, deren längeren Wartezeiten auf die Antworten der Schüler, der Häufigkeit und Art des Lobes, Blickkontakte und auf ähnliche - den Lehrern unbewusste und subtile - Handlungsweisen. Trotz der Subtilität dieser Handlungsweisen, konnten diese das Verhalten und schließlich auch die Leistung der Schüler enorm beeinflussen - in diesem Fall stark zum Positiven.
Dieser sogenannte "Pygmalion Effekt" bezieht sich auf das Verhalten von Personen, die auf unausgesprochene Erwartungen von Autoritätspersonen, wie z.B. von Lehrern, reagieren. Der "Andorra Effekt" ist eine abgeleitete Variante dieses Effekts - die Erwartungen, die hier das Verhalten von Personen beeinflussen, kommen hier von Mitmenschen im Allgemeinen, nicht unbedingt von Autoritätspersonen. Beide Varianten des Effekts haben eines gemeinsam: Sie besagen, dass das Verhalten und sogar die Entwicklung von uns menschlichen Wesen mitunter stark von den Erwartungen anderer an uns geprägt wird - zum Positiven oder auch zum Negativen.
Kannst Du diesen Effekt nutzen, um Dein zwischenmenschliches Leben sogar noch zu verbessern?
Kannst Du das Wissen über diesen Effekt positiv in Deinem Alltag - und auch in Deinen Beziehungen - nutzen? Täglich senden wir in jedem Kontakt mit anderen Personen unzählige Signale, die uns nicht bewusst sind. Diese Signale kommunizieren der anderen Person aber weit deutlicher als Ausgesprochenes, was wir über sie denken oder aber einfach nur, in welcher Stimmung wir gerade sind. Sie merkt, wenn wir schlecht gelaunt sind und bezieht diese negativen Signale unter Umständen auf sich selbst, selbst wenn wir das gar nicht möchten und beabsichtigen. Wenn wir Pech haben, reagiert sie darauf negativ und die Situation fühlt sich nun für beide nicht mehr so gut an. Was, wenn Du dir aber eine möglichst positive Stimmung im Beisammensein mit anderen wünschst?
Ich sehe das für mich so: Ich habe die Möglichkeit vor einer Begegnung in mich zu gehen und mir klar zu machen, dass ich zu einem möglichst positiven Aufeinandertreffen beitragen möchte. Dass ich mich für die Situation und die Person positiv öffnen möchte. Wie geht das? Zum Beispiel versinnbildliche ich mir, welche positiven Züge und Eigenschaften ich an dieser Person schätze - selbst wenn ich mich ihr gegenüber in diesem Moment vielleicht nicht komplett wohlgesonnen fühle. Ich sehe vor meinem inneren Auge, was diese Person auch in der Zukunft noch für weitere positive Eigenschaften ausbilden kann, was sie noch alles schaffen kann. Ich versuche in einem positiven Sinne an diese Person zu glauben.
Diese innere Einstellung wird sich im Kontakt deutlich bemerkbar machen - zum Guten für mein Gegenüber. Unter Umständen kann ich der anderen Person dabei helfen, genau diese positiven Eigenschaften noch mehr zu entwickeln, die ich in ihr schlummern sehe. Aber auch mir selbst tue ich etwas Gutes: Ich verhalte mich positiv und fühle mich automatisch wohl mit mir. Und auch unsere Verbindung profitiert davon: Wir verstehen uns besser und knüpfen vielleicht sogar auf einer tieferen Ebene als zuvor Freundschaft. Vorausgesetzt ich versuche so gut wie möglich, an diesen positiven Gedankenmustern festzuhalten.
Besonders gefällt mir dazu eine antike Weisheit, die sagt: "Der pure Glaube an etwas schafft es, Berge zu versetzen." Meine positive Einstellung anderen gegenüber kann tatsächlich viel Gutes bewirken. Etwas, das womöglich nicht ansatzweise möglich wäre, wenn ich der anderen Person mit einem negativen Mindset gegenüber trete.
Kannst Du die beste Version Deiner Selbst sein - unabhängig davon, welche Meinung andere von Dir haben?
Kann Dir das Wissen über diesen Effekt auch helfen, das zu sein oder zu werden, was Du wirklich sein möchtest - ungeachtet der Meinung und Erwartungen anderer? Kannst Du dazu beitragen, dass die Erwartungen anderer an Dich so realitätsgetreu wie möglich sind?
Zu wissen, wie sehr mich die Meinungen anderer über mich letztendlich subtil zum Guten oder Schlechten beeinflussen können, kann ich für mich nutzen. Ich könnte mich zum Beispiel fragen: Verhalte ich mich so und sende ich alle möglichen persönliche Signale in meinem Leben so aus, dass sie dem entsprechen, wie ich mir wünsche von anderen wahrgenommen zu werden? Wie möchte ich denn überhaupt auf andere wirken? Spreche ich so, drücke ich mich so aus, verhalte ich mich so und lebe ich so, wie ich es mir wirklich wünsche, von anderen gesehen zu werden? Kann ich anderen ein authentisches, positives Bild von mir vermitteln - so dass deren Erwartungen an mich ebenfalls unter Umständen realitätsgetreuer werden?
Zu einem gewissen Maße denke ich, liegt es in meiner Hand, wie ich wahrgenommen werde und welche Erwartungen mir entgegen schwingen. Und realistische und positive Erwartungen anderer uns gegenüber verleihen uns zusätzliche Kraft und geben uns Rückenwind.
Ich denke, dass es aber auch realistisch ist, dass es immer Menschen mit negativen Erwartungen uns gegenüber geben wird - auch wenn wir uns bemühen, unsere Sache so gut oder so authentisch wie möglich zu machen. Wie kann ich es schaffen, diese negativen "Vibes" möglichst nicht an mich herankommen zu lassen? Mein eigenes Verhalten und meine eigene Entwicklung nicht dadurch schwächen zu lassen?
Allein die Bewusstwerdung, dass dies die negativen Gedanken und Erwartungen eines anderen sind - nicht die meinen - kann schon ein kleines Wunder bewirken. Ich brauche mir diese Erwartungen nicht überstülpen - sie nicht annehmen und verinnerlichen. Stattdessen kann ich mich entscheiden, auf meinem eigenen Weg, in meinem authentischen Verhalten zu bleiben, ungeachtet des möglichen "subtilen Gegenwindes". Das setzt natürlich eine gute Portion Achtsamkeit und Entschlossenheit voraus und auch ein gesundes Maß an Abgrenzung anderen gegenüber. Den meisten von uns fehlt wahrscheinlich die eine oder andere dieser nützlichen Fähigkeiten in manchen Situationen, genau wie auch mir. Aber das Fantastische ist hier: Mit etwas Training können solche positiven Eigenschaften immer ein wenig weiter entwickelt werden und damit Stück für Stück vermehrt zum Einsatz kommen :)
Auch wenn es Momente gibt, in denen andere nicht an uns glauben. Wir können es immer noch auf eine positive und realistische Weise selbst tun <3
Deine Alaia
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